#48 Sound of Metal

Shownotes

Zu dieser Folge gibt es eine Transkription. Ihr findet sie am Ende dieser Shownotes und hier: https://justpaste.it/cuts48soundofmetal. Falls euch nur das Interview mit Ace interessiert, gibt es das nochmal einzeln hier: https://justpaste.it/cuts-interview-ace-mahbaz.


Sound of Metal ist einer der Geheimtipps des Jahres. Im Film verliert ein drogenabhängiger Drummer (Riz Ahmed) sein Gehör und muss sich in dieser neuen Situation zurechtfinden. Aber wie progressiv wird das dargestellt? Darüber spricht Christian mit dem Tauben Schauspieler und Autor Ace Mahbaz (Twitter, Instagram) und der Kritikerin und Literaturwissenschaftlerin Judith Niehaus. Achtung: Wir spoilern den kompletten Film, auch im Interview!

Anmerkung: Judith und ich haben in der Folge die Worte "gehörlos" bzw. "Gehörlose" benutzt, Ace präferiert aber die Worte "Taub" bzw. "Taube".

Zeitmarken

00:00:00 - Hallo Judith

00:05:16 - Sound of Metal: Vorstellung

00:09:58 - Interview mit Ace Mahbaz

00:24:11 - Sound of Metal: Kritik

00:51:56 - Das Letzte: "Nicht länger nichts", "Wolken ziehen vorüber"


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Transkription

Christian: Das ist CUTS, der kritische Film-Podcast. Folge 48 heute mit Judith Niehaus, Ace Mahbaz und einem Film, der in diesem Jahr vielleicht ein bisschen unter dem Radar geschwommen ist. Aber wenn man die Kritiken vergleicht, scheinbar fast sowas wie ein Konsens-Film oder sogar vielleicht einer der besten Filme des Jahres ist. Die Rede ist von "Sound of Metal" mit Riz Ahmed und ich bin Christian Eichler, hi. Judith, schön, dass du da bist. Hast du mal in einer Band gespielt?

Judith: Ich war mal ganz kurz für zwei Auftritte Akkordeonistin in einer Rockband. Sonst hab ich eher klassische Musik gemacht. Das war auch eher ein wirklich sehr kurzer Interims-Auftritt. Aber es hat Spaß gemacht. Ich hätte eigentlich gerne mehr in Bands gespielt.

Christian: Spielst du Akkordeon?

Judith: Ja, also ja, ich spiel Klavier. Und irgendwann hab ich dann auch Akkordeon angefangen, als ich ein Akkordeon zur Verfügung hatte. Genau.

Christian: Krass, ich musste neulich an Akkordeon denken. Wie kommt man dazu? Ist es eine Schiffer-Familie, oder so?

Judith: Nee, ich hab einfach relativ viel französische Musik gehört und mich mit französischen Songs und Filmen und allem Möglichen beschäftigt im jugendlichen Alter. Und dann hatte ich irgendwie so eine Lieblingsband, die ein Akkordeon hatte und dann dachte ich naja, mit der Gitarre und so und mir das wird irgendwie nichts. Aber weil ich schon Klavierspielen konnte, geht das vielleicht mit dem Akkordeon ganz gut. Also hab ich mir ein Akkordeon zum 18. Geburtstag gewünscht.

Christian: Geil. Ja um französische Musik geht's ja auch ganz kurz in diesem Film. Aber du bist natürlich eigentlich freie Kritikerin, oder? Du hast mal nen Blog gehabt und auch Literaturwissenschaftlerin, ne?

Judith: Ja, inzwischen vor allen Dingen Literaturwissenschaftlerin. Also ich hab zu Film und Medienwissenschaft auch viel im Studium gemacht und schreib jetzt eine Diss, in der Germanistik und Filme und Schreiben über Filme sind inzwischen leider nur noch mehr so ein Hobby. Aber ich freue mich total, dass ich jetzt mal wieder in so einem Kontext auch über einen Film sprechen kann.

Christian: Ja, wie bist du zum Film gekommen. Und was sind vielleicht die Schnittpunkte bei Literaturwissenschaft Film? Hast du auch über Literatur-Verfilmungen, gearbeitet oder geschrieben?

Judith: Tatsächlich das gar nicht so viel. Ich hab mich auch in der Literaturwissenschaft viel mit Narratologie beschäftigt, also damit, wie was erzählt wird, wie Perspektiven erschaffen werden, welche Ebenen es in Erzählungen gibt, was überhaupt Erzählinstanzen sind und was sie so können. Und das sind ja einfach Fragen, die man sich sowohl für die Literatur als auch für den Film stellen kann.

Und welche Unterschiede es da gibt, fand ich immer total interessant und hab da auch viel in der Uni zu gearbeitet. Und ich habe eine relativ filmbegeisterte Familie und habe einfach schon sehr früh viele Filme geguckt und dann ist das immer so weitergegangen. Ich habe auch mal im Kino gearbeitet, ist auch immer sehr gut.Wenn man gerne Filme guckt, weil das dann umsonst ist,

Christian: Ah, ich auch. Im Freiluftkino Klappstühle aufgeklappt, im Sommer im Berlin.

Judith: Ich hab nur Karten abgerissen.

Christian: Ja, man kann dann immer die Sachen so halb nochmal guckengucken, wenn es schon angefangen hat oder so. Ja, schade, die Zeit ist gerade so ein bisschen vorbei. Mal schauen, wann die Kinos wieder aufmachen. Eine Frage noch: Thema der Diss?

Judith: Ich arbeite zu typografisch auffälligen und verfremdeten Romanen, die nach 2000 erschienen sind. Das ist ein sehr abstrakter Titel

Christian: Mit besonderem Schriftbild, wie Walther Moers, zum Beispiel?

Christian: Genau wie bei Walter Moers. Sasa Stanišić hat auch manchmal solche Sachen, das sind so die bekanntesten Namen vielleicht. Genau dafür habe ich sehr, sehr viele Bücher gelesen und jetzt muss ich nur noch schreiben.

Christian: Ja, aber das ist ja auch immer noch ein ganze schönes Stück Arbeit. Schön, dass ihr da draußen dabei seid. Also diesen Podcast hört oder die Transkription dieser Folge lest. Denn die gibt es diesmal zum ersten Mal, damit die Folge ein bisschen barrierefreier ist, als sonst.

Wir sprechen ja über den Film "Sound of Metal". Da spielt der Riz Ahmed einen Drummer, der gehörlos wird und wir hätten eigentlich hier noch mit Bodo Tasche gesprochen. Der ist Coda, also Child of Deaf Adults bzw. Kind gehörloser Eltern. Der hat ein Online-Gebärdensprache-Wörterbuch entwickelt, musste jetzt aber ganz kurzfristig wegen Krankheit in der Familie absagen. Auf jeden Fall nochmal gute Besserung an dieser Stelle.

Trotzdem wollte ich das nochmal erwähnen. Das findet ihr unter signdict.org, ist ein ganz interessantes Projekt und gleich gibt es noch ein Interview mit dem Tauben Schauspieler Ace Mahbaz, der uns auch nochmal so ein bisschen seine Eindrücke zum Film vermitteln wird. Das wollte ich ja nochmal gesagt haben.

Vielleicht mal kurz: Worum geht's? "Sound of Metal" ist ein Film von Amazon, 2019 in Toronto Premiere gefeiert, ist ungefähr vor zwei Wochen rausgekommen und, das hab ich am Anfang schon gesagt: So ein bisschen unterm Radar geschwommen. Also was ich hier interessant fand, war, dass es da einen sehr großen Konsens gibt. Also auch bei uns im Discord zum Beispiel. Leute, die den gesehen haben, meinten alle ein super Film, auch bei Leuten, wo ich dachte, die gucken eigentlich nur sechsstündiges Slow Cinema. Fast alle waren da doch ziemlich begeistert und deswegen wollte ich unbedingt mal über den sprechen.

Das ist der erste Film von Darius Marder, der - das fand ich super witzig, wenn man das weiß - "The Place Beyond the Pines" geschrieben hat von Derek Cianfrance. Mit Ryan Gosling ja in der Hauptrolle, der da ja auch so blondierte Haare hat und komplett zugehackt ist. Und das ist bei Riz Ahmed in diesem Film ja auch so. Also vielleicht sind so tättowierte, coole Hauptfiguren irgendwie sein Kink oder so.

Und dieser Film, das fand ich auch noch ganz interessant, basiert eigentlich auf einer unfertigen Doku-Fiction von Cianfrance, die Metalhead hieß. Also was ähnliches wie "Sound of Metal" aber eben auf wahren Begebenheiten basierend. Und dann hat Marder eben Cianfrance gefragt: Kann ich das nicht irgendwie in einen richtigen Spielfilm umbauen und das ist dann "Sound of Metal" geworden, den man schon auf Amazon Prime gucken kann. Und du kannst sagen, worum es geht.

Judith: Genau. Ja, es geht um Ruben, der von Riz Ahmed gespielt wird und der eben dieser blondierte-Haare-zu-tätowierte-junge-Mann ist, ex-drogenabhängiger Schlagzeuger, der zusammen mit seiner Freundin Lou, gespielt von Olivia Cook ein Metal Duo ist, das den Namen BlackGammon trägt. Und als BlackGammon fahren die beiden mit einem schicken Van quer durch die USA zu Konzerten.

Und ganz zu Beginn des Films lernen wir das Leben der beiden in ihrem Wohnwagen kennen und das ist recht idyllisch. Das wird aber bald getrübt, als Ruben plötzlich sein Gehör fast vollständig verliert. Er versucht das erst noch zu überspielen und dann insistiert Lou aber, dass er sich Hilfe sucht, um damit zu umgehen, dass, wie sie befürchtet, er wieder in alte, selbstverletzende Verhaltensweisen zurückfällt. Und Ruben bleibt dann mehr oder weniger gegen seinen Willen in einer Community von anderen ex-drogenabhängigen Gehörlosen, die unter der Obhut von Jo das ein Vietnam-Veteran, der von Paul Raci gespielt wird.

Die leben zusammen in einem Haus im Wald, wo Ruben lernen soll, mit seinem Schicksal umzugehen und das Leben als Gehörloser kennenzulernen. Oder zu akzeptieren. Das vielleicht so der Anfang genau vom Film, die Prämisse bis zur Hälfte. Ich weiß nicht, ob ich jetzt weiter erzählen soll, um Spoiler zu vermeiden oder wie.

Christian: Ich würde sagen, du brauchst nicht weiter zu erzählen, aber Spoiler können wir auch nicht vermeiden. Diesmal ist es so, ich habe das Interview ja schon geführt, das ihr gleich hören werdet. Und da musste ich auf die wichtigen Plot-Points des Films auch eingehen.

Das heißt, falls Ihr den noch völlig unvoreingenommen schauen wollt, dann solltet ihr es vielleicht jetzt machen. Kann man auf Amazon Prime gucken. Dann würde ich sagen, gibt's jetzt kurz Werbung. Dann das Interview und dann sind wir beide hier wieder am Start.


Christian: So, und ich freue mich sehr, dass wir dieses Interview machen können. Ich spreche mit Ace Mahbaz. Er ist Schauspieler und Autor, seit seiner Geburt gehörlos und hat natürlich auch "Sound of Metal" gesehen.

Ace: Hallo.

Christian: Ace, es ist schön, dass du die Zeit gefunden hast. Du bist ja selbst Schauspieler. Kannst du vielleicht nochmal ein bisschen was von deiner Arbeit erzählen? Also seit wann machst du das? Und wie läuft es eigentlich gerade so? Während Corona ist das ja wahrscheinlich ein bisschen tricky, oder?

Ace: Ja, also ich hab mit 19 Jahren ungefähr mit der Schauspielerei angefangen. Und hab da einen erwachsenen Tauben auf der Bühne gesehen und war total fasziniert und hab dann so ein bisschen angefangen. Und seitdem bin ich quasi dabei.

Und ja, in meiner Arbeit bin ich in ganz Europa unterwegs, in ganz vielen unterschiedlichen Ländern. In Deutschland auch natürlich. Aber in Deutschland gibt's tatsächlich nicht so viele Angebote für Taube auf der Bühne. Also ich bin viel am Rumreisen. Jetzt in der Corona-Zeit natürlich schwierig, da gibt es definitiv weniger Aufträge. Aber ich hab ein Dach über dem Kopf habe und kann mein Essen bezahlen kann, das passt schon.

Christian: Das finde ich interessant. Dass du ansprichst, dass du selber eine gehörlose Person auf der Bühne gesehen hast und das dann auch bei dir angefangen hat und du auch sagst, hier sind die Aufträge nicht so gut. Wie ist denn die Situation von Gehörlosen Schauspielenden in Deutschland? Gibt's da überhaupt genug Rollen? Werden die dann auch überhaupt mit gehörlosen besetzt? Sind das eher so Klischees? Wie ist das so?

Ace: Schwer zu sagen. Also es gibt ganz, ganz viele Taube in Deutschland, auch kompetente. Da sind auch wirklich gute Schauspielerinnen dabei. Also es gibt natürlich manchmal Film- und Fernseh-Schauspielerinnen, aber es wird halt immer wieder nur eine Perspektive gezeigt, also die Sprach-Perspektive, die Musik-Perspektive, also nur so eine eine Perspektive auf die Taubheit.

Wenn Taube eingesetzt werden, dann ist es meistens so, dass die Regisseure sagen: also das ist schwierig mit ihnen zu kommunizieren. Die Schauspieler*innen sollen immer wieder ein und dasselbe Bild transportieren. Diese Darstellung der Tauben ist aber oft keine passende Repräsentation der Taubencommunity. Als vollkommen Tauber Schauspieler im Mainstream teilzunehmen, ist wirklich schwierig, weil Regisseure lieber hörende oder bzw. Lautsprache sprechende Schauspieler anstellen.

Christian: Du bist ja international unterwegs und meintest gerade in Deutschland es nicht so gut. Ist es woanders besser?

Ace: Ja, ein bisschen besser. Trotzdem gibt es in der ganzen Welt eigentlich immer nur diese eine Perspektive auf Taubheit, ne? Es fehlt das Gehör, wow! Es wird sich direkt auf diesen Mangel konzentriert. Also auf die Behinderung quasi. Und es fehlt das große Ganze, die ganze Sicht. In Deutschland ist es wirklich so: Naja, ich muss sagen, die deutsche Sprache wird als sehr, sehr wichtig angesehen.

Wenn die Lautsprache nicht vorhanden ist, dann ist da einfach ein Ungleichgewicht. Die Gebärdensprache hat nicht den gleichen Stellenwert wie die deutsche Lautsprache. Das muss ich schon wirklich sagen. Also wenn ich das jetzt vergleiche mit den USA beispielsweise, da ist Gebärdensprache einfach Teil des Lebens. Es herrscht einfach ein größeres Interesse. In Deutschland ist es leider nicht so.

Christian: Also du meinst, gibt es oft nur diese eine Perspektive. Wir reden ja über "Sound of Metal". Du hast den Film ja auch gesehen. Wie fandest du das da? Wir fandest du den Film?

Ace: Ja, "Sound of Metal" ist eigentlich genau dasselbe, was wir gerade besprochen haben. Also erstmal sind wir total froh, wenn irgendwie das Thema Gebärdensprache und Taubheit gezeigt wird, wenn unsere Kultur repräsentiert wird. Aber da ist es halt wieder ein hörende Person, die ertaubt ist, die Musik mag und der Film nicht wirklich über Taubheit berichtet. Also Taube sind eher ein Hilfsmittel der Geschichte, aber mehr nicht.

Christian: Aber trotzdem würden ja manche sagen, immerhin wurde da, was das Casting angeht oder was auch die Darstellung von Gehörlosigkeit angeht, sobald dann der Drummer in dieser Community ist, da trotzdem einiges richtig gemacht. Findest du das auch? Findest du die Darstellung, von unterschiedliche Menschen mit Gehörlosigkeit immerhin gut?

Ace: Also es hat positive Seiten, also z.B. den Riz, die Hauptrolle, der ist glaube ich der einzige, der tatsächlich sich richtig mit Gebärdensprache auseinandergesetzt hat. Ein Jahr Gebärdensprache gelernt hat und das merkt man, das ist auf jeden Fall sehr, sehr positiv. Andere sagen: Ja, ich mach mal kurz einen Crashkurs für eine Woche. Aber das funktioniert halt nicht.

Man muss ja, wenn man als Schauspieler eine andere Sprache spricht, richtig die Sprache sprechen. Das ist beim Französischen und anderen Sprache genauso. Es wäre halt ganz schön, auch mal taube Schauspieler dabeizuhaben. Das hatten die schon auch, also es gab schon ganz coole Aspekte daran . Trotzdem, z.B. die Tauben Kinder in der Schule, die sind halt alle total interessiert an dem Klavier. Und ja, da gibt es vielleicht Taube Kinder, die so sind.

Aber andere Taube interessiert Musik halt überhaupt gar nicht. Es gibt da eine Riesen-Varietät. Und da ist Musik einfach nicht so ein großes Thema. Also der Film ist wirklich nicht schlecht, aber es wird halt eine Perspektive auf Taubheit gezeigt und auf Taube Menschen und da gibt es einfach viel, viel mehr, was in diesem Film leider nicht vorkommt.

Aber, wie gesagt, als Vergleich mit anderen Filmen in der Vergangenheit hat er schon gute Aspekte und zeigt gute Aspekte der Community. Also ich hoffe, es wird einfach besser und der hat einfach Einfluss auf weitere Projekte, die in Zukunft kommen. Also das wäre vielleicht ganz schön.

Christian: Die Hauptpersonen, am Anfang noch hörend, wird dann gehörlos, aber kommt ja dann in die Community rein. Und dann hatte ich auf jeden Fall das Gefühl, ich weiß nicht, wie du das siehst, dass da trotzdem so eine Differenz aufgemacht wird, also das, was du gerade kritisierst:

Es geht immer immer um jemanden, der hört und das dann verliert, wird ja vom Film auch angesprochen, indem er dann diese Implantate sich einsetzen lassen möchte, um da wieder rauszukommen. Und da dann ja quasi auch verstoßen von dieser Community. Haben Leute, die eben nicht seit ihrer Geburt gehörlos sind, wirklich so eine Sonderrolle in der Community, war das irgendwie gut dargestellt, schlecht dargestellt? Wie fandest du das?

Ace: Ja, da braucht man einfach noch ein bisschen Hintergrundwissen, wie wir aufwachsen, um das wirklich diskutieren zu können. Also als Tauber Mensch kommst du in die Schule, aber man kommt halt nicht an richtig gute Bildung ran, das bleibt auf einem sehr, sehr einfachen Niveau.

Kinder, die gut sprechen können und irgendwie einen Rest Hörvermögen haben, werden besser gefördert als Taube, die halt Gebärdensprache sprechen. Und das sorgt für sehr viel Frust und sehr viel Diskriminierungserfahrungen einfach beim Aufwachsen. Und deswegen gibt's einen Selbstschutz bei Tauben, die sich dann einfach auch vor dieser Lautsprachekultur ein bisschen schützen wollen und vor Verletzung.

Das ist ein systemisches Problem, eine systemische Unterdrückung. Das sind einfach Sachen, die noch festsitzen in vielen Köpfen, in Schule, in Bildung, im Alltagsleben, in ganz, ganz vielen Punkten in Ämtern. Taube werden immer vor ganz viele Barrieren gestellt.

Und das sammelt sich halt an bei den Tauben und da gibt es manche, die lieber in der Gemeinschaft zusammenbleiben und unter sich bleiben. Und andere bleiben auch offen, sind toleranter. Das ist ganz unterschiedlich von Person zu Person.

Christian: Das ist ja super spannend, was sind denn die systemischen Probleme? Wo müsste, wo müsste man da ran, wenn man mal vom Film weggehen und fragen Was müsste sich da politisch ändern?

Ace: Ja, die Sicht einfach, dass die Gebärdensprache eine gleichwertige Sprache ist, dass sie nicht irgendwie eine Unterstützung ist. Also das ist einfach eine ganz normale Sprache, die allen anderen Sprachen gleichwertig ist. Und das sind die ganzen Kleinigkeiten, wo wir Barrieren haben.

Also dass man irgendwie ganz selbstverständlich miteinander kommunizieren kann, mit Körpersprache, mit Schriftsprache, wie auch immer. Dass nicht irgendwelche Forderungen an uns gestellt werden, sondern dass man selbstverständlich Dolmetscher bestellt und die nicht als Betreuer angesehen werden, sondern als Übersetzer und Dolmetscher, die einfach zwischen zwei Kulturen dolmetschen.

Also auch dass vielleicht schon in der Schule angefangen wird, dass Kindern beigebracht wird, sich mit dem Körper zu unterhalten, dass Gebärdensprache einfach eingeführt wird, dass Kinder lernen, es gibt Gebärdensprache, dass sie da ist.

Christian: Im Film ist das ja dann aber immerhin so: er lässt sich dann die Implantate machen, versucht wieder in die Welt der Hörenden in Anführungsstrichen reinzukommen ,merkt dann, das funktioniert für ihn eigentlich auch nicht so.

Und er war ja das erste Mal in dieser Community, also bei den exdrogenabhängigen Gehörlosen so richtig integriert, vielleicht auch zum ersten Mal in seinem Leben und entscheidet sich dann gegen die Implantate und kommt wieder zurück. Fandest du das gut? Diesen Schlußpunkt oder findest du das eher so ein bisschen kitschig?

Ace: Ich selber als Tauber mit Tauber Familie kann das schwer beantworten. Das ist natürlich eine ganz andere Erfahrungen, die diese Hauptperson dort hat. Ich kann das eventuell mit anderen vergleichen, aber auch da würden alle wieder ganz anders reagieren. Es gibt Leute, die mit einem CI zufrieden, andere nicht. Es gibt natürlich auch die medizinische Sicht, die sagt natürlich das CI löst alles. Aber das ist wirklich überhaupt nicht so.

Da braucht es ganz viel Arbeit, viel Logopädie, viel Bildungsarbeit und so weiter. Und es gibt ganz, ganz viele Fälle, wo es einfach nicht funktioniert. Die werden dann oft nicht gezeigt. Auch es ist oft so, dass die Mediziner vielleicht sagen: Ach, Gebärdensprache, das ist quasi eine minderwertige Sprache. Braucht man nicht. Das ist für Dumme quasi. Und das ist tatsächlich auch etwas, was nicht in Ordnung ist. Es gibt viele Taube, die das CI nicht mehr tragen, die sich ein CI Implantiert lassen haben oder bei denen es als Baby implantiert worden ist und die das nicht mehr tragen. Aber das ist wirklich ganz ganz unterschiedlich.

Taube sind wie ein eigenes Land und das ist wirklich eine ganze Varietät an Menschen und die sind alle wie in einer Diaspora quasi. Also man muss halt wirklich sehen, es gibt unterschiedliche Einflüsse von den Ländern, wo sie wohnen und leben. Aber die Community ist halt so bunt, deswegen kann man da nicht mit einer Sicht drauf schauen.

Da kann ich keine klare Antwort darauf geben. Ich muss aber schon sagen: ich war überrascht am Schluss, als er das CI nicht mehr trägt. Also normalerweise ist das typisch, dass im Film gezeigt wird: Ja klar, das CI, das war die ultimative Lösung. Und dass er sich dagegen entscheidet war eine Überraschung. Ja, das hat mich wirklich erstaunt.

Christian: Ja, aber das hat uns, glaube ich, auch beeindruckt. Wir haben mit unserer Community auch schon so ein bisschen über den Film geredet, dass er dann da auch rausgeworfen wird. Also dass dann quasi gesagt wird: Okay, du siehst Gehörlosigkeit als ein Problem, was man technisch lösen muss. Deswegen bist du hier nicht mehr willkommen und deswegen musst du quasi weg.

Wir haben uns auch gefragt: Ist das zu krass eigentlich, dass das da so gezeigt wird. Aber da haben wir auch viel drüber diskutiert. Ob es nicht auch zu negativ gezeigt wird, das CI in dem Film. Aber das wussten wir einfach auch gar nicht.

Ace: Ich weiß nicht, ob das wirklich so negativ gezeigt wird. Also naja, wenn man hörend aufgewachsen ist, dann ertaubt ist und ein CI bekommt: Das ist natürlich ein spezieller Fall. Wenn du als Tauber aufwächst und ein CI hast, ist das was ganz anderes. Also, dass die Tauben-Community sich von ihm distanziert, liegt einfach daran, dass dadurch erneut das Bild gestärkt wird, dass die Gebärdensprache aus Sicht der Gesellschaft minderwertig ist.

Dass die medizinische und technische Welt da irgendwie an erste Stelle gestellt wird und das ist halt echt ein Problem. Also als ich in der Schule war, durfte ich nicht nicht gebärden zum Beispiel. Ich habe versucht, irgendwie was von den Lippen abzulesen und habe ganz viel nicht mitbekommen. Das geht jetzt. Zurzeit wird das Schritt für Schritt besser. Aber auch da gibt es ganz, ganz viele unterschiedliche Fälle auf der ganzen Welt und unterschiedliche Menschen und Lebenserfahrungen. Also das kann man so nicht im Allgemeinen sagen.

Christian: Was mich immer schon interessiert hat, ist die Frage, auch im Film: Er kommt dann da in diese neue Gruppe rein und kann natürlich überhaupt nicht Gebärdensprache. Wäre das sinnvoll, dass vielleicht jeder und jede in der Grundschule oder schon mal ein bisschen Gebärdensprache lernen sollte, einfach als weitere Sprache, die man wählen kann? Wäre das sinnvoll? Oder ist das zu viel verlangt? Oder reicht das nicht aus? Das würde mich interessieren.

Ace: Das wäre super. Wer eine Gebärdensprache kann, hat einfach Zugang zu einer ganzen neuen Welt. Ist einfach ein riesiger Reichtum und Vorteil. Babys können zum Beispiel gebärden, bevor der Lautsprache-Apparat funktioniert. Das ist ein großer Vorteil. Also definitiv ja.

Christian: Wenn die dir das Drehbuch des Films geschickt hätten, bevor die den Film gemacht haben und du hättest das umschreiben können, was hättest du geändert? Wo hast du gedacht, das hätte ich anders aufgebaut?

Ace: Vielleicht würde ich die Tauben-Community im Drehbuch noch ein bisschen verändern. Nur dass man da auch nochmal zeigt, dass sie ganz viele unterschiedliche Facetten hat. Das es da auch Kunst gibt und so weiter. Also, dass das ist nicht so auf Hören und Musik spezialisiert ist. Das ist halt nicht so eine vulnerable Gruppe, sondern eine wirklich sehr starke Community, die ganz viele Stärken und Varietät und Diversity beinhaltet. Also das würde ich eventuell ein bisschen ändern. Es gibt gerade ganz, ganz wenige Filme, die Gebärdensprache zeigen oder die Community zeigen. Daher wäre es nicht fair von mir, den Film zu beurteilen. Wir sollten dann auch richtig dargestellt werden. Also das mir schon mal wichtig.

Also ich kann den Film halt nicht so richtig bewerten. Also es ist halt schön, dass Taube gezeigt werden, dass Taubheit gezeigt. Aber, wenn ich mich als Tauber bei den meisten Filmen einfach nicht richtig repräsentiert sehe, ist das halt schade. Also die Repräsentation fehlt einfach zu oft. Es wird generell einfach zu viel auf Hilflosigkeit, auf Ertaubtheit und so weiter ein Fokus gelegt. Und das ist bei vielen Filmen so, aber bei diesem Film ist es schon besser, ne? Also muss ich schon sagen, ich hoffe, er hat einen guten Einfluss. Aber es geht eben mir immer um die Repräsentation von Tauben und von mir als Tauben. Und da ist mir besonders wichtig, dass das einfach passend ist und Stärke gezeigt wird.

Christian: Eine Frage, die ich noch hätte. Auch dazu, wie du Filme schaust, die ist auch bei uns in der Community gestellt worden. Wenn man als hörende Personen einen Film schaut und das kommt dramatische Musik z.B., dann kann sich diese Musik in ihrer Qualität ja ganz stark unterscheiden. Es kann ein großes Kunstwerk sein oder ein ganz schlechter Song. Aber oft steht in den Untertiteln ja dann nur dramatische Musik. Deswegen würde mich interessieren: Hast du das manchmal so, dass du ganz andere Filme gut findest, als sie von der Kritik z.B. besprochen wurden, weil du einfach einen ganz anderen Blick vielleicht darauf hast?

Ace: Naja, also das diskutieren wir auch oft in der Tauben-Community. Es gibt so Kleinigkeiten, dass das vielleicht so eckige Klammern gibt: "Er spricht Französisch". Und dann denke ich mir: Hallo, ich möchte jetzt auch wirklich die französische Sprache da stehen haben. Warum muss er jetzt irgendwie auf Deutsch stehen "Spricht Französisch"?

Aber was Musik angeht, ich ignoriere das dann einfach. Ich gucke mir einfach weiterhin den Film an und schaue mir vielleicht Lichtverhältnisse an oder so. Das ist dann wichtiger für mich. Also es ist dann natürlich nochmal ein anderer Einfluss. Ich bin vielleicht visueller orientiert. Na, vielleicht gucke ich da dann, ob mir ein Film gefällt oder nicht. Das machen andere vielleicht weniger.

Christian: Ja, vielleicht soviel erstmal zum Film. Hast du noch irgendwelche Projekte, vielleicht, auf die wir hinweisen können?

Ace: Ja, in England hab ich ein Projekt demnächst. Das ist so ein physisches Theater mit ein mit Visual Vernacular, VV wird das abgekürzt. Aber das wird durch Corona immer wieder verschoben. Also so ein paar Sachen hab ich, aber guckt gerne auf meiner Instagram-Seite, folgt mir und da halte ich immer alle gerne auf dem Laufenden.

Christian: Das verlinken wir dann in der Beschreibung. Ja, dann vielen Dank, Ace, dass du mit mir über den Film geredet hast und auch dir vielen Dank Constanze fürs Dolmetschen.

Ace: Ja, sehr gerne.


Christian: Soviel also zum Interview mit Ace, dass ich wirklich super interessant fand. Viele total spannende Aspekte. Judith, wir wie wir können jetzt natürlich aus der hörenden Sicht nur darauf schauen, wie hast du den Film wahrgenommen?

Judith: Ja, mir hat er sehr gut gefallen. Sogar überraschend gut. Ich habe ihn zum ersten Mal tatsächlich im Kino sehen können. Beim Filmfest Hamburg und hatte, wie das im Kontext häufig so ist, gar nicht so hohe Erwartungen dran. Hatte auch ganz wenig über den Film vorher gelesen und war dann sehr positiv überrascht und bin vor allen Dingen sehr beeindruckt vom Sounddesign natürlich und von der Art, wie hier Klang und Sound als filmisches Mittel eingesetzt wird.

Das hat mich wirklich sehr beeindruckt. Ich finde, storytechnisch hat der Film so ein paar Schwächen. Aber da konnte ich dann sehr gut drüber hinwegsehen. Auch beim zweiten Mal schauen hat mich das immer noch sehr beeindruckt.

Christian: Ja, das Sounddesign ist wirklich besonders. Bei uns im Discord wurde auch gesagt, man soll den mit Kopfhörern schauen und das geht ja auch auf Amazon. Warum war das gut umgesetzt deiner Meinung nach?

Ace: Ja, weil man einfach merkt, dass Klang ein so essentieller Bestandteil von Film ist, den man aber oft gar nicht so sehr wahrnimmt. Also man nimmt ja Klang im Film meistens genau dann wahr, wenn die Musik irgendwie ganz überwältigend ist oder sehr schön ist oder manchmal auch sehr störend ist. Aber hier wird durch das Sounddesign, teilweise durch Übersteuerung oder so, natürlich die das Augenmerk auf Elemente gerichtet, die man sonst nicht so wahrnimmt das Tropfen, das Durchlaufen vom Kaffee oder das Klappern von irgendwelchen Gegenständen.

Später dann, die Sound-Kulisse von einem geselligen Essen, von Menschen, die gehörlos sind und wo man nur noch das Geschirr hört, weil die Gespräche halt ohne Klang stattfinden. Und ich finde das sehr interessant, wie dann auch die eigene Wahrnehmung geschult wird, wenn man sich das anschaut und vor allen Dingen wieder natürlich auch im späteren Verlauf des Films verzerrte Wahrnehmung versucht wird nachzubilden, was ja schon auch ein problematisches oder schwieriges Feld ist.

Also den Verlust des Gehörs irgendwie durch Abdumpfen oder Verzerrungen darzustellen. Ich finde einfach, dass es ja super interessant ist, wie der damit umgeht und wie er auch versucht, Menschen, die hören, den Verlust des Gehörs irgendwie näherzubringen.

Christian: Das fand ich auch sehr interessant am Film. Also dass ich dann auch dachte, dass Gehörlosigkeit schon eine Behinderung ist, die versucht werden kann, durch einen Film irgendwie erfahrbar zu machen. Wie gelungen das am Ende ist, das ist dann die Frage. Aber natürlich kann man im Film damit arbeiten, dass man hörenden Leuten, die das schauen, eine Perspektive wegnimmt, eine Ebene und dann schaut, was passiert dann eigentlich damit. Und das ist ja schon so, dass dieser Film damit ganz viel arbeitet.

Gerade am Anfang natürlich, wenn es total laut ist. Die beiden sind da im Schweiße ihres Angesichts auf diesem Konzert und es wird da richtig auf die Drums raufgeprügelt. Und dann ist das Gehör auf einmal weg. Und ich denke, der Film will verschiedene Sachen, unter anderem halt auch das, was natürlich viele solcher Filme machen, irgendwie hörenden Menschen das Gefühl geben: Ja, es wäre ganz schön schlimm, wenn diese Ebene weg wäre.

Aber was passiert dann eigentlich danach? Ich fand das ein bisschen feige. Ich weiß nicht, wie du das gesehen hast, weil wir haben ja neulich über Elem Klimovs "Come and See" gesprochen und da gibt's auch eine Szene, in der dann so ein Bombenanschlag ist und es dieses typische Mittel, wie auch auch bei Private Ryan gibt, dass dann eben nur dieses Flirren zu hören ist.

Aber bei "Come and See" wird das eben sehr lange ausgehalten, also 10 Minuten, 15 Minuten oder sowas, sodass man sich irgendwann fragt: Bleibt das jetzt eigentlich die ganze Zeit so, wie ist das eigentlich? Und ich hatte mich gefragt: Was will dieser Film eigentlich damit, dass er, sobald unsere Hauptperson ihr Gehör verliert, uns nicht die ganze Zeit auf dieser Ebene lässt? Warum switcht der Film immer wieder?

Also ich fand diese Szene, die du angesprochen hast, auch fast ein bisschen witzig, dass man erst natürlich in seiner Sicht ist. Er versucht, zu verstehen, was die Leute sagen, ist der Gebärdensprache aber nicht mächtig. Deswegen ist es für ihn auch überfordernd. Man hat das Gefühl, da geht eben ganz viel ab. Da wird ganz viel diskutiert, am Tisch - auch ganz viel gleichzeitig.

Und dann switcht das raus und wir hören halt dieses Klimpern und sowas und merken: Stimmt, das ist eigentlich für uns als Hörende einfach total laut, was da abgeht, weil die Leute das natürlich selber jetzt nicht so stark merken, wie viele Geräusche sie da machen.

Ich hab mich da gefragt: ob ich das nicht besser gefunden hätte, wenn einfach der ganze Film nur in seiner Hör-Welt gespielt hätte. Und ob man da nicht vielleicht ein bisschen zu feige war und gesagt hat: Nee, irgendwann müssen wir schon für die hörenden Zuschauer wieder zurückwechseln, damit wir diese Ebene immer noch haben. Wie hast du das gesehen?

Judith: Ja also ich hab das Problem auf jeden Fall schon auch gesehen. Also ich find einige Sachen löst der Film da ganz gut, z.B. die Frage, ab wann die American Sign Language untertitelt wird. Also das ist ja in anderen Filmen - wir hatten im Vorgespräch auch schon mal kurz über The Tribe, diesen ukrainischen Film gesprochen - der ist ja nur in Gebärdensprache erzählt und die wird nicht untertitelt.

Und hier ist das so, dass erst ab dem Moment, wo Ruben auch selbst Gebärdensprache versteht und nutzen kann, das untertitelt wird. Das fand ich ganz interessant. Das war auch ein Mittel der Fokussierung, um seine Perspektive einzunehmen. Aber klar, das wird irgendwie auch ganz oft gebrochen. Also z.B. in und in der Szene, die du angesprochen hast, dass wir da öfter wieder rausswitchen aber auch in so Szenen, wo ich dachte: Naja, sind das jetzt die auf den Oscar zielenden Momente?

Dieser Monolog von Paul Raci, der ihm dann erklärt, warum er nicht bei ihnen bleiben kann, weil er mit dem Gehörverlust nicht umgehen kann, sondern wieder zurück, also mit dem Implantat zurück möchte in die Welt der Hörenden quasi. Da hatte er so einen ganz gefühlsintensiven Monolog. Und der wird nicht mit Gebärdensprache artikuliert, sondern halt gesprochen.

Und auch am Ende ein Gespräch zwischen Lou und Ruben, wo sie sich dann quasi trennen. Das wird auch nicht mit dem Implantats-Sounddesign überlegt, sodass es ganz unangenehm wäre, sondern es wird auch in der normalen Sprache gemacht. Da hab ich mich gefragt: Ja, soll das jetzt quasi an den Stellen an einfach angenehmer sein für die Zuschauer? Ja, ich finde das auch ein bisschen schwierig. Ich finde das ja noch hätte weiter gehen können.

Aber das ist ja auch so ein bisschen Ausdruck oder Symptom von einer ganz zentralen Frage, die irgendwie den Film prägt: Nämlich wie ein Film über den Verlust des Gehörs so sehr das Sounddesign in den Mittelpunkt stellen kann. Und das merkt man natürlich auch im Interview, dass du mit Ace geführt hast, dass er ja sagt: Naja, für mich ist der Sound natürlich vor dem Film völlig uninteressant.

Er guckt eher auf Lichtverhältnisse oder viel krasser noch auf Mimik und Gestik, als wir das vielleicht wahrnehmen können im Film. Und dann ist das natürlich so ein bisschen absurd oder eine Fehladressierung, dass durch das Sounddesign gerade die Leute adressiert werden, die hören können und nicht die nicht hören können.

Christian: Ja, das fand ich total spannend. Wie inklusiv ist das dann eigentlich? Ich fand es z.B. interessant, dass der Trailer zum Film auf YouTube direkt untertitelt war. Man kann ja bei YouTube Untertitelung einstellen und bei dem Trailer ist es automatisch so. Also da ist einfach barrierefreier.

Und manchmal hat man so ein bisschen das Gefühl: der Fluch der guten Tat. Also Leute versuchen jetzt ein Thema sensibel zu behandeln, aber wenn man das dann schaut, merkt man, man hätte da vielleicht eigentlich doch noch weitergehen können, vielleicht noch andere Perspektiven reinbringen können. Trotzdem kommt man aus dieser Problematisierung des Gehörverlusts halt auch nicht so richtig raus.

Und da hab ich mich einfach gefragt: Hätte man auch den hörenden Zuschauern hier einfach mehr zumuten können auf dieser Ebene. Also The Tribe ist z.B. einer meiner Lieblingsfilme und da fand ich es toll, dass man als Personen, die nicht Gebärdensprache versteht, wirklich nicht weiß, worum es geht und sich dann wirklich versuchen muss, das irgendwie zu erschließen - und das funktioniert auch - aber eine Person, die eben Gebärdensprache versteht, vielleicht einen ganz anderen Film sieht und man das Gefühl hat: Der ist ja auf zwei Arten zu schauen.

Gleichzeitig finde ich, das es für jemanden, der sich vielleicht auch nicht so viel mit dem Thema auseinandergesetzt hat, da natürlich viel drin ist, was man lernt. Also man lernt zum Beispiel, dass es einfach unterschiedliche Arten der Kommunikation gibt, dass es Gebärdensprache gibt, manche Leute können Lippenlesen. Sie haben da diesen Computer, der dann das direkt anzeigt, was gesagt wird usw. Man merkt, dass es vielleicht verschiedene Rollen gibt, dass er da erst schwierig reinkommt und sowas.

Also ich finde, der Film zeigt schon vieles und versucht ja dann in diesem Ende, bei dem man sich dann dafür entscheidet, da wieder hin zurückzugehen, ja auch einen Punkt zu machen und zu sagen: So, das ist eben nicht die Lösung, dass wir jetzt hier ein technisches Gerät nehmen und dann ist alles wieder in Ordnung. Also man merkt schon, dass sich da viele Gedanken gemacht wurden.

Auch du hast angesprochen Paul Raci, der ist selbst auch Coda, also Kind gehörloser Eltern zum Beispiel. Also da wird auch bei Casting-Entscheidungen ein bisschen darauf geachtet und so wie Riz Ahmed mehrere Monate Gebärdensprache gelernt hat, aber gleichzeitig finde ich, dass der Film trotzdem so ein bisschen sich aus dieser Verkitschung nicht so ganz entziehen kann, dass es eben trotzdem so ein Film ist, wo jemand in Anführungsstrichen etwas Schlimmes zustößt.

Dann kommt er in eine neue Community, dann wird er da aufgenommen, dann will er eigentlich wieder raus und dann entscheidet er sich am Ende: Ne, dahin muss ich eigentlich zurückgehen. Das ist natürlich ein Klischee und damit arbeitet der Film. Was ich aber gut fand, ist, dass das ein Film über Privilegien ist. Also einmal natürlich Intersektionalität.

Er hat ja, wenn man das so sagen will, quasi drei Benachteiligungen. Also er ist einmal drogenabhängig selber und ist deswegen quasi depressiv. Er ist arm und wird dann eben gehörlos. Und ich finde ganz schön, dass der Film nicht, wie man es vielleicht denkt, nur die Gehörlosigkeit zum Problem macht, sondern vor allem auch diese Abhängigkeit.

Deswegen ist er ja eigentlich in der Gruppe und darum geht es ja. Das fand ich ganz interessant und gleichzeitig vielleicht das Gegenstück davon: Was man vielleicht Multiprivilegiertheit nennen könnte. Ich fand die Frage interessant: Wer kann sich denn aus welchen Nachteilen eigentlich wieder einfach so rausbegeben? Ich fand das total interessant, dass es einerseits hier angedeutet ist, er selber kann das machen, indem er dieses Implantat holt, aber er muss die eben kaufen.

Und was muss er dafür tun? Sein Auto verkaufen, also die Freiheit, die amerikanische Freiheit muss dann aufgegeben werden, damit er das kaufen kann und wieder zurückkann. Und seine Freundin macht ja aber dasselbe. Also als er dann dieses Problem hat, geht sie einfach zurück zu ihren reichen Eltern und ist dann einfach da und wird dann da einfach Musikerin.

Und dieser Traum vom Anfang ist dann einfach so egal gewesen. Und das fand ich ganz interessant, dass der Film das so ein bisschen spiegelt. Also wer kann dann überhaupt sich das leisten, diesen Schritt zu gehen? Das fand ich ganz interessant, dass diese Sachen parallel gezeigt wurden.

Judith: Ja, ja, also die Parallelisierung ist ja sowieso drin. Also du hast jetzt noch ein bisschen tiefergehend ausgearbeitet und das finde ich auch total schlüssig. Aber diese Parallelisierung von der Multiple Addiction, um die es in dem Film geht, also die Sucht. Klar, er ist ein Ex-Junkie.

Aber es wird ja einmal explizit auch gesagt naja, dass er quasi süchtig nach Hören ist. Das wird einmal in so einem Monolog von ihm auch eingeführt und dann wird an einer anderen Stelle eingeführt, dass er quasi seine Sucht nach den Drogen ersetzt hat oder dass sie beendet wurde in dem Moment, wo er seine Freundin Lou kennengelernt hat. Also ihm werden hier verschiedene Sachen, nach denen er süchtig ist, entzogen, nämlich die Drogen, dann das Gehör und dann auch noch seine Freundin, die ihn ja wirklich sehr plötzlich zurücklässt.

Was ich auch seltsam fand im Film. Ich habe jetzt nicht so sehr darauf geachtet, was an welchen Stellen Sinn ergeben hat. Von der Erzählstruktur her, das ich hab das schon einfach alles so passieren lassen und finde das auch nicht schlimm, aber es hat mich schon irritiert nach dem Leben, was ja wirklich sehr idyllisch gezeigt wird am Anfang. Und dieser American Dream auf eine Weise, dieses Fahren mit dem schicken Wagen durch die Landschaft mit Sonnenuntergang und Jazz-Platten, die man dann da spielen kann und sich selber Smoothie machen und so. Das hört dann ja wirklich sehr plötzlich auf und sie verlässt ihn und das ist ein total wichtiger Plot-Point und man kriegt relativ wenig raus, warum sie ihn so plötzlich sitzen lässt. Und das hat mich schon ein bisschen gewundert.

Genauso wie mich ein bisschen gewundert hat, wie wenig er darüber aufgeklärt war, was dieses Cochlea Implantat macht. Was ich mir nicht richtig vorstellen kann, dass das passiert, oder? Dafür kenne ich halt das amerikanische Gesundheitssystem auch zu schlecht, aber mich hat das überrascht, dass das so gemacht wurde. Ich habe eine gute Freundin, die so ein Implantat trägt und mir war immer schon klar, dass sie natürlich etwas ganz anderes hört als ich.

Das fand ich sehr überraschend und das sind schon wichtige Elemente der Geschichte. Und da habe ich dann so ein bisschen quasi diese Punkte plus das ist ja schon, was wir vorhin auch schon angesprochen hatten etwa generischer und platt ist nämlich, dass jemand, eine komplexe Figur, die verschiedene Sachen erlebt hat und gelitten hat, kriegt jetzt einen krassen Schicksalsschlag und muss sich da irgendwie wieder herausarbeiten und findet eine Community geht da wieder weg, muss er wieder hin finden. Also es sind ja schon sehr klassische Punkte einer Erzählung.

Christian: Das Implantat ist so ein bisschen Dreh und Angelpunkt, ne? Darum geht's ja auch in dieser Oscar-Szene. Er sagt, er braucht ein bisschen Kohle. Und ich kann hier auch gerne wieder zurückkommen, und kriegt dann gesagt: Ne, also damit, dass du das jetzt einsetzen lassen hast, ist das ein Verrat an unserer Community, weil in dieser Community ist halt wichtig zu sagen: Es ist kein Problem, wenn man nicht mehr oder nicht mehr so gut hören kann. Und du hast damit jetzt quasi deine Entscheidung getroffen und gehst weg. Das fand ich interessant.

Da wurde bei uns Discord auch diskutiert: ist das nicht zu krass? Also würde man ihn da wirklich rausschmeißen und sowas. Ich finde es in Ordnung zu sagen: Es ist eine Sichtweise. Man muss der ja auch nicht komplett folgen. Also dieses Leiters dieser Community. Was ich nur frage ist, ob das nicht auch ein bisschen feige ist, das so zu zeigen, dass dieses Implantat halt nicht so richtig funktioniert. Also wär das Ende des Films nicht stärker gewesen, wenn das besser funktioniert hätte, weil so hat man immer noch so ein bisschen dieses Gefühl: Ja gut, das hat nicht so gut geklappt, dann kann er auch wieder zurückgehen.

Wäre es nicht vielleicht interessanter gewesen zu sagen: Naja, das geht schon, aber er kommt trotzdem in dieser Welt nicht so richtig an, weil was der Film ja schon so ein bisschen versucht zu zeigen ist, dass durch eine Art von Benachteiligung und Gruppierung halt auch eine Solidarisierung entsteht. Also das ist ja so ein bisschen der Knackpunkt.

Wo der Film hin will ist, dass er sagt, eigentlich war diese Beziehung sowieso nicht so toll, wie man das am Anfang denken sollte. Ich hatte auch schon während das gezeigt wurde das Gefühl: Sprechen die für so ein Paar nicht doch ein bisschen oberflächlich miteinander mit ihren Witzchen? Und man sieht ja auch, dass er auch so richtig getrieben ist.

Das finde ich übrigens superstark, ich finde Riz Ahmed supergut in der Rolle und ich kann mich damit auch richtig identifizieren, also ich war jetzt nicht drogenabhängig oder so. Aber dass er diesen ganz starke Strukturierung des Tagesablaufs braucht, die ganze Zeit Sport macht, immer der nächste Gig und so weiter. Man merkt richtig, der ist ist eigentlich die ganze Zeit am Rattern. Hat er überhaupt wirklich nur eine Sucht durch die andere ersetzt?

Aber eigentlich ist das noch gar nicht richtig bearbeitet, eigentlich war man noch gar nicht so richtig an dem Punkt und dann ist eben so, dass durch diese verschiedenen Schicksalsschläge man sich dann dahinsetzt. Ob dann am Ende wirklich die Lösung ist, dass man sich alleine ins Zimmer setzt und man über sein Leben nachdenkt, das weiß ich nicht. Aber ich hatte mich auch gefragt, ob man nicht vielleicht diese Implantat vielleicht anders hätte lösen könnens.

Also ob man nicht welche auch hätte sagen können Ja, das ist schon hilfreich gewesen. Theoretisch aber entscheidet er sich am Ende dafür, wieder zurückzugehen. Und ich weiß nicht, ob der Film dann am Ende nicht doch nur die für Hörende vielleicht neue, aber an sich natürlich nicht besonders interessante Aussage trifft: Ja, es ist auch okay gehörlos zu sein. Ob das nicht trotzdem so die Bottom Line bleibt, die einfach ein bisschen schwach ist?

Judith: Mir fiel esschwer, so eine Bottom Line aus dem ganzen Film zu extrahieren, die jetzt was darüber aussagen soll, wie wir als hörende Gesellschaft mit Menschen, die gehörlos sind, umgehen sollen. Da gibt es, glaube ich, andere die das für mich noch expliziter machen. Also hier wird ja diese Community gezeigt. Die wird natürlich auch dann irgendwie allzu sehr als schöne Gemeinschaft gezeigt. Ich weiß, dass Ace in dem Interview auch gesagt hat, dass er fand, dass die noch hätte ein bisschen tiefer gehen und diverser dargestellt werden können. Das fand ich auch.

Aber ich fand, dass der Film so dicht erzählt ist, dass das einfach nicht mehr so viel Platz hatte, weil es passierte einfach wahnsinnig viel. In diesen knapp zwei Stunden sind das, glaube ich. Ich hätte es auch schön gefunden, wenn die Figuren da noch ein bisschen mehr Tiefe bekommen hätten. Aber es gab schon einige, die trotzdem einen Charakter hatten, der sie nicht einfach auf ihre Gehörlosigkeit reduziert hat. Also die Menschen, mit denen er dann in dieser Phase seines Aufenthalts dort interagiert. Und das mit dem Implantat. Ich weiß nicht.

Mich hat es schon sehr getroffen. Irgendwie. Diese Darstellung, wie das ist, wie das klingt oder wie man sich vielleicht vorstellen kann, dass es klingt, wenn man damit hört. Also ich weiß nicht. Klar wäre es als Plot Point interessanter gewesen, das weniger unangenehm zu machen und ihn dann trotzdem zurückkehren zu lassen zu dieser Community.

Aber da fand ich, dass der Film vielleicht schon auch so ein bisschen als Aufgabe gesetzt hat, etwas nachvollziehbar zu machen und verständlich zu machen. Und das ist halt dieser Hörverlust. Und ich finde das immer total krass, wenn Firmen versuchen sowas dann wirklich so darzustellen, dass man als eine Person, die nicht davon betroffen ist, das irgendwie nachvollziehen kann. Ich hab mir schon oft Gedanken darüber gemacht, wie das klingt. Mit so einem Implantat.

Und jetzt hab ich das gehört und fand, es hat mir Fragen, die ich schon hatte, auch beantwortet. Und das fand ich interessant. Und es macht natürlich was mit einem, vor allen Dingen am Ende diese Szene, wo er das dann abnimmt und wirklich absolute Stille herrscht. Sehr kraftvoll. Also das ist ja nun eine der interessantesten Szenen des Films. Weil nämlich oft vorher nicht absolute Stille herrscht. Da gibt es dann ein unterschwelliges Dröhnen oder Rauschen, ich hab da vorhin auch nochmal rein geguckt.

Es ist selten absolute Stille und erst ganz am Schluss ist diese absolute Stille und das macht den Film interessant, weil er am Ende nur noch auf Bild und Bewegung reduziert ist. Man sieht ihn da im Park sitzen, man sieht ihn beobachten, wie Jungs versuchen, Skateboard zu fahren, wie hinter ihm Menschen ganz unscharf durch den Park laufen und man hört nichts mehr.

Man sieht auch eine Einstellung auf einen Kirchturm, wo sich nicht mal mehr was bewegt. Und ich fand es in dem Sinne, auch wenn es ein bisschen banal ist, einen Kommentar dazu, was Film eigentlich ist und wie Ton Teil des Films ist, und wie Ton auch nicht Teil eines Films sein kann.

Christian: Ja, und das wird ja nicht gesagt, was passiert. Also vielleicht hab ich das auch suggeriert. "Er muss dann dahin wieder zurück." Aber das sagt der Film eigentlich nicht aus.

Judith: Ja, man denkt nur, das ist so angenehm da. Das ist für ihn so gut da. Der Film zeigt einem ja, wie gut es ihm da getan hat. Auf eine Weise ist er da auch tendenziös in seiner Darstellung. Und dann denkt man natürlich, dass er jetzt dahin zurück soll und irgendwie mit diesen Schülern und so, die er da getroffen hat, zusammenarbeiten sei, die ihn alle toll fanden. Das ist vielleicht ein bisschen eindimensional.

Christian: Also ich hatte auch ein bisschen das Gefühl, am Anfang beschnuppern sich die Leute ein bisschen. Aber dann ist da dann so super integriert und das hat ja auch Ace gesagt, die haben dann so Mega-Bock auf Musik, was vielleich unrealistisch ist. Also vielleicht hätte man da auch irgendwie noch mehrere Ebenen einziehen können und so weiter.

Ich hab mich nur gerade gefragt: Am Ende: Die beiden sind wieder vereint, sie ist in diesem neuen Leben und kommt scheinbar jetzt in dieser Musikwelt besser an, kann dann wieder singen. Das war scheinbar nur so eine, ja so eine kleine Nebenerzählung ihres Lebens, dass sie da mit ihm zusammen auf Tour war. Und er ist wieder da und sagt: Ja, ja, ja, wir müssen mal wieder proben, wir können das machen. Das geht jetzt alles wieder mit diesen Geräten. Da glauben die beiden ja eigentlich schon selbst nicht mehr dran.

Sie, weil sie in ihren neuen Privilegien jetzt ist und er, weil er auch merkt, dass war's wahrscheinlich gar nicht diesem Traum hinterherzurennen. Also ich finde das ganz interessant, dass der Konflikt, den die beide haben, eigentlich nicht so viel mit dem Implantat oder der Gehörlosigkeit zu tun hat. Also das war eh schon brüchig, dieses Beziehungskonzept, wo vielleicht auch so ein leichter Klassen-Kommentar drin ist, weil sie ihn da ja auch auf dieser Tour irgendwie ein bisschen ausgehalten hat und so.

Judith: Aber ich fand es da auch auf eine Weise schon ehrlich, wie sie dann da aufhören. Es ist nicht besonders subtil erzählt und das würde ich auch dem ganzen Film so ein bisschen nicht zum Vorwurf machen, also da kriegt er schon Minuspunkte von mir. Dafür, dass es irgendwie ja relativ plakative Verbindungen sind, was du gerade meintest, dass die komischerweise alle auf die Musik so abgehen, in dieser Community von Gehörlosen oder die Schülerinnen und Schüler.

Das fand ich auch nochmal interessant, weil ich ihnen auch beim zweiten Mal mit Kopfhörern geguckt habe und auch das eine interessante Erfahrung ist. Also ich würde auch auf jeden Fall Leuten raten, wenn sie denn gucken, Kopfhörer anzuziehen und nicht irgendwie so Laptop-Lautsprecher zu benutzen. Aber da war es doch nochmal was anderes, das im Kino zu gucken.

Tatsächlich, weil man da ja so ein Soundsystem hat, was einen, wenn es richtig aufgedreht ist, auf jeden Fall Klang ja auch spüren lässt und man da schon auch so ein bisschen merkt. Es ist halt auch eine physische Erfahrung, Klang wahrzunehmen. Also ich kann schon verstehen. Klar, Ace hat gesagt: Es gibt auch viele, die da jetzt nicht so Bock drauf haben, ihre Hände auf ein Klavier zu legen. Kann ich auch total verstehen, glaub ich total.

Aber es kann ja trotzdem was mit einem machen. Und man kann auch z.B. als gehörlose Personen in Club gehen und tanzen gehen, weil man die Bässe sind. Die nehmen wir ja nicht übers Gehör wahr, sondern über die Wellen und den Boden. Das fand ich schon nicht uninteressant, dass dieser Aspekt da auch eingeflossen ist, weil ja gerade das ihm auch eine Funktion in dieser Welt potentiell geben kann. Er ist ja Musiker und er hat ja eine spezifische Vorprägung, die ihn dann in dieser Community vielleicht eine besondere Rolle auch spielen lässt.

Christian: Und das ist natürlich der Konstruktion des Films geschuldet. Der Film heißt Sound of Metal und man denkt, wenn man noch nichts weiß: Okay, das ist jetzt ein Musikfilm oder sowas. Und dann es geht ja darum, jemand hat Musik gemacht, verliert dann sein Gehör und was ist dann?

Deswegen ist es natürlich auch ein bisschen klar, dass dann, wenn man von dieser Prämisse ausgeht, im Drehbuch, das dann noch irgendwie später vielleicht ne Rolle spielt oder sowas, aber hätte man wahrscheinlich irgendwie anders machen können. Auf jeden Fall ein interessanter Film, finde ich, muss man Sound of Metal gesehen haben, Judith?

Judith: Ich finde, man muss nicht, aber man sollte vielleicht und man hat auf jeden Fall damit eine sehr viel bessere Wahl getroffen als mit vielen anderen Filmen, die geradeso zur Verfügung sind.

Christian: Ich finde das auch. Ich finde, man sollte sich dennschon anschauen, um seinen Horizont zu erweitern. Kann sein, dass man in der Thematik schon stark drin ist, dass es dann für einen nicht so interessant ist. Auch der Look und sowas ist so ein bisschen weich. Alles fühlt sich ein bisschen an als hätte man einen warmen Pulli an oder so, was wir natürlich alles schon bei A24 oder so oft gesehen haben.

Der ist auf eine Art sehr konventionell, aber finde, er bringt trotzdem ein paar mehr Ebenen ein als normalerweise, wenn es jetzt ein Film über Drogenabhängigkeit wäre z.B.. Ich hab auf jeden Fall durch das Schauen des Films, aber vor allem auch nochmal durch die Vorbereitung und Umsetzung dieser Folge halt noch sehr viel gelernt zu dem Thema und finde deswegen, dass man den sich schon anschauen kann, gerade auch durch Riz Ahmed, der da eine echt starke Leistung macht.

Es wird ja neuer Bond gesucht. Das wäre übrigens mein Vorschlag. Schreibt uns gerne eure Meinung: cutspodcast@yahoo.de. Der Film ist auf Amazon Prime verfügbar. Hast du sonst was Gutes gesehen in letzter Zeit? Judith?

Judith: Ja, dadurch, dass die Kinos zu sind und ich schaue eigentlich am liebsten im Kino gehen, ist das so ein bisschen eingeschlafen bei mir. Ich habe auf Arte nachgeholt, diese vierteilige Dokumentation über die Geschichte der Arbeiterbewegung und fand das ganz interessant. Da habe ich sehr viel gelernt. Ich weiß nicht, ob ich noch auf Arte ist. Ich habe sie jetzt auf YouTube geguckt.

Das ist für Menschen, die in ihrem Leben sehr wenig Marx gelesen haben, schändlich wenig Marx gelesen haben, ganz informativ und auch auf ihre Art nachvollziehbar. Und dann hab ich "Wolken ziehen vorüber" von Kaurismäki geguckt. Und das ist auch einfach immer wieder schön. Kaurismäki macht einfach immer sehr schöne Filme. Genau.

Christian: Ja, den habe ich auch schon so lange auf meiner Liste. Hoffentlich kommt dann nächstes Jahr das Special dazu, dass ich mich damit auseinandersetzen kann. Ja, ich habe nichts Gutes gesehen. Ich habe hunderttausend Michael Bay Filme geguckt.

Für unsere Michael Bay Special, was wir morgen aufnehmen. Und ja, ich bin da sehr gespannt drauf, muss ich sagen. Ich bin wirklich so mit Interesse da rangegangen: Ach echt mal spannend, was macht Michael Bay vielleicht anders als andere und so? Was kann man da rausziehen? Und nach 5 Filmen denkt man sich: Wirklich jeder Film ist exakt gleich, ich ertrage es nicht mehr. Ich kann nicht mehr. Aber Stefan Schulz ist ja großer Fan. Der wird uns das dann morgen bei der Aufzeichnung wahrscheinlich erklären.

Falls ihr das hören wollt, dann könnt ihr CUTS mit 3 Euro im Monat unterstützen: steadyhq.com/cuts Und alles, was du so machst, Judith, findet man unter anderem auf Twitter. Das verlinke ich nochmal in der Podcast Beschreibung @judithanyways.

Danke an Ace, dass er mit uns gesprochen hat. Sein Twitter und Instagram hab ich auch nochmal verlinkt in der Podcast-Beschreibung und in der nächsten Woche gibt's hier den großen Serien-Jahresrückblick zusammen mit Vanessa Schneider und Emily Thomey.

Und da muss ich schon mal sagen, ich habe für diesen Jahresrückblick zwei Serien gesehen. Das waren die einzigen beiden Serien, die ich mir 2020 angeguckt habe. Aber da ist bestimmt trotzdem für jeden irgendwie was dabei. Und für jede. Wir hören uns dann hier wieder eine Woche. Danke, Judith.

Judith: Ja, danke.

Christian: Und ihr macht es gut. Bis zum nächsten Mal. Viel Spaß. Nicht im Kino, aber beim Stream. Tschau!

Kommentare (1)

N

Ich glaube, es ist zentral, die Grenzen der Technik zu zeigen. Das kann sich niemand vorstellen, der spät ertaubt ist und ein CI bekommt. dass es eben NICHT das Gehör ersetzt. Und das sollte jeder Hörende sehen und verstehen!! Viele Grüße N - nach einer schweren Erkrankung mit 42 Jahren ertaubt, mit 2 CIs so lala versorgt und zwischen allen Welten

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